Runde 3 - Auf der Hut vor Rösselgabeln

von Christian Göppinger am Montag 21.5.2018 12:56
Nach dem durchmischten Spieltag am 20. Mai, an dem Oliver trotz der Niederlage in Runde 2 gutes Schach spielte, galt es am 21. Mai um 8.30 Uhr mit Weiß nochmal den starken Aufschlag aus Runde 1 an Brett 15 zu wiederholen. Sein Gegner hatte in den letzten Jahren eine kleine Stagnationsphase, die er angesichts der Ergebnisse vielleicht gerade jetzt überwindet. Wir wissen, dass Oliver regelmäßig deutlich über seiner aktuellen DWZ-Zahl spielen kann und waren gespannt auf die Begegnung.

1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5. Nc3 a6 6. Bc4 e6 7. Bb3 Nbd7 8.
O-O Nc5 9. Re1 b5 10. Bg5 Bb7 11. e5 dxe5 12. Rxe5 Qc7 13. Re3 Rd8 14. Bxf6
gxf6 15. Qg4 h5 16. Qh4 Be7 17. Nf3 Rh6 18. Rae1 f5 19. Qg3 f4 20. Qg8+ Bf8 21.
Re5 Bxf3 22. Bd5 Rg6 23. Qh8 b4 24. Bxf3 bxc3 25. b4 Nd7 26. Rxh5 Nf6 27. Rh4
Qd6 28. Bh5 Nxh5 29. Qxh5 Rh6 30. Qg4 Rxh4 31. Qxh4 Qd2 32. Kf1 Qxc2 33. Qxf4
Qd3+ 34. Kg1 c2 35. Qc7 Bxb4 36. Rf1 Qxf1+ 37. Kxf1 Rd1+ 38. Ke2 c1=Q 39. Qb8+
Rd8 40. Qxb4 Qc2+ 41. Kf3 Qd3+ 42. Kg4 Rd4+ 0-1


Sizilianisch – erneut steuerten Oliver und sein Kontrahent zielstrebig in DIE Variante der Sizilianischen Verteidigung – Najdorf. Mit 4. Lc4 entschied sich Oliver für die aggressive Fischer–Sozin Variante, ein Liebling des ehemaligen Weltmeisters. Beide Spieler folgten den Theoriepfaden, wobei sich Schwarz für 7. …Sbd7 entschied, was in einigen Büchern und DVDs der jüngeren Zeit für Schwarz empfohlen wurde. Sinn dieses Systems besteht darin mit späterem Sc5 die eigene Stellung zu sichern und gegen den starken Läufer auf b3 vorzugehen. Oliver wählte als Antwort auf diesen Zug 8. 0-0, was in der Datenbank eine relativ bescheidene Punkteausbeute für Weiß einbrachte, wohingegen vor allem das energischere 8. f4 oder 8. Lg5 bevorzugt wird. Nach dem folgenden 9. Te1 Sc5 kann Schwarz seine Spielidee dank dem zahmen weißen Vorgehen umsetzen und sollte eine gute Stellung erhalten, doch Schwarz wich vom theoretischen Hauptpfad mit dem aggressiven 9. ... b5 ab, was zwar einige Male von Meistern gespielt wurde, aber sowohl hinsichtlich der Beliebtheit, als auch der Punkteausbeute klar hinter 9. … Le7 zurückbleibt. Ein Grund hierfür zeigt sich in einer konkreten taktischen Operation, die Weiß in diesem Stellungstyp ermöglicht wird und die typisch für viele Stellungen des Sizilianers ist. Mittels 10. Ld5! kann Weiß seinen vorherigen Turmzug rechtfertigen und sich klaren Vorteil verschaffen, da die beste schwarze Erwiderung wahrscheinlich im Opfer der Qualität mittels 10. … Ld7 besteht. Nach dem einfachen 10. … e6xd5 folgt 11. e4xd5+ wonach Schwarz komplett auf Verlust steht, da das natürliche 11. … Le7 bärenstark mit 12. Sc6 und durchschlagendem Angriff mit gewinnbringendem Materialgewinn beantwortet wird. Nach 10. … Sxd5 11. e4xd5 besitzt Weiß bei gleicher Materialverteilung deutlich aktivere Figuren und kann die schwache schwarze Stellung mit einer Vielzahl an aktiven Ideen zu Leibe rücken. Leider verpasste Oliver diese starke Bestrafung der ungenauen schwarzen Zugfolge und setzte mit 10. Lg5 fort, was aber dennoch eine gute Stellung sicherte. Nach 10. … Lb7 wäre erneut die Idee 11. Ld5 stark gewesen und wurde in dieser Stellung beispielsweise von Exweltmeister Tal mit Weiß gespielt. Die Angriffsvarianten die bei Annahme des Figurenopfers folgen sind sehr passend zum Spielstil des Magiers aus Riga und durchaus lehrreich. 11. Ld5 e6xd5 12. e4xd5+ Le7 13. Lxf6 g7xf6 14. Sf5 und Weiß sackt das geopferte Material mit Zinsen und weiterhin starken Angriffsideen ein, während nach 11. Ld5 e6xd5 12. e4xd5+ Kd7 13. b4 Sa4 14. Sxa4 b5xa4 Weiß viele extrem starke Fortsetzungen hat, wobei der schwarze König durch die weißen Figuren auf den weißen Feldern in den Untergang gehetzt wird und ohne deutliche Materialeinbußen nicht überleben kann. Beispielvarianten wären hier 15. Tb1 Le7 16. b5 a6xb5 17. De2 Ta5 18. Ld2. Auf 18. …Te8 könnte der nächste Kracher mit 19. Se6 folgen. Die Varianten sind sehr komplex und interessant zum analysieren, während auch die von Menschen gespielten Fortsetzungen wie 15. c4 Weiß mehr als genug Kompensation und vermutlich gewinnbringenden Vorteil einräumen. In der Partie entschied sich Oliver leider für das aktive aber objektiv schlechte 11. e5 was nach dem gespielten Bauerntausch Schwarz eine sehr aktive Stellung und die besseren Aussichten verschaffen sollte. Die Stellung ist für Weiß bereits schwer zu spielen gewesen und Oliver machte es seinem Gegner leider mit 13. Te3 etwas zu leicht, während 13. Lf4 nötig gewesen wäre um durch die Gegendrohung etwas Zeit zu gewinnen. Nach 13. … 0-0-0 wäre Weiß bereits schwer angeschlagen, während 13. ...Td8 die gleiche Idee verfolgt, allerdings hier die taktische Operation 14. Lxf6 g7xf6 15. Ld5 Lxd5 16. Sdxb5 als typisches Sizilianischmotiv Schwarz zwar auch die besseren Chancen verspricht, die Partie aber noch weiterhin besser spielbar für Weiß gewesen wäre. Olivers Lösung mit 15. Dg4 platzierte die weiße Dame leider etwas zu exponiert, was Schwarz mit 15. … h5 direkt ausnutzte. Die schwarzen Figuren waren in den folgenden Zügen zu stark und nachdem die Luft um die weiße Dame langsam dünn wurde erlaubte Oliver mit 19. Dg3 direkt eine Bauerngabel mit 19. … f4, aus der Oliver sich auf den ersten Blick mittels 20. Dg8+ und 21. Te5 befreien konnte. Allerdings rechnete Schwarz gut und hatte mit 21. … Lxf3 bereits die nächste Gemeinheit auf Lager, da nach 22. g2xf3 durch 22. … Tg6+ die weiße Dame verloren geht. Zu diesem Zeitpunkt war die Stellung enorm taktisch verwickelt und Olivers 22. Ld5 versuchte dies auszunutzen, doch Schwarz blieb cool und fand mit 22. … Tg6 den besten Zug, nachdem Weiß komplett verloren ist. Obwohl Schwarz die nachfolgenden bärenstarken Züge nicht fand (wenngleich das mit einer Engine im Anschlag deutlich leichter gesagt ist) spielte er eine einfache Abwicklung die Oliver mit einer Figur weniger und ohne Gegenspiel in komplett verlorener Stellung zurückließ. Die folgende Verwertung spielte sich wie von selbst, womit sich Oliver leider geschlagen geben musste. Schwarz kam glimpflich davon, nachdem Oliver seine Eröffnungssünde nicht bestrafen konnte, nutzte die Gelegenheiten und bewies in den folgenden komplizierten Stellungen das bessere taktische Auge und genauere Rechenfähigkeit.

Oliver muss nun den Kopf frei bekommen und seine Kraft auf die vierte Runde um 14.30 Uhr konzentrieren. Das Turnier hat gerade erst richtig begonnen, es ist also noch alles offen für ihn!