von Christian Göppinger am Samstag 29.12.2018 14:43
Der morgendliche Sieg aus Runde 5 gab unserem Team Rückenwind und die Chance vom neu eroberten Tabellenplatz 9 mit 6 Punkten vielleicht nochmal einen weiteren Sprung nach vorn zu wagen.

Für die nächste Runde 6 wartete jedoch erneut ein starkes Team mit den SF Brackel auf, die nach DWZ meist die Nase vorn hatten.

Ab 15 Uhr ist unsere nächste Runde an Tisch 4 am Livebrett in Echtzeit verfolgbar! Alternativ

Qualmende Köpfe während Runde 6
Qualmende Köpfe während Runde 6

An Brett 1 startete Olivers Partie mit der Sizilianischen Verteidigung. Sein Gegner (1707) blieb der eigenen Linie treu und brachte auch hier das Morra-Gambit aufs Brett. Das weiße 7. g3 wirkt etwas merkwürdig, vermutlich witterte Olivers Kontrahent Gefahr oder wollte die schwarze Dame mit späterem Lf4 befragen. Allgemein ging Weiß die Sache recht zahm an, was Oliver weitere Entwicklung erlaubte und langsam aber sicher zu einer Stellung führte, in der Weiß dringend aktives Spiel aufziehen muss, um nicht einfach mit einem Bauer weniger da zu stehen. Der folgende Springerausflug an den Brettrand zeigte sich jedoch als Zeitverschwendung, wonach Weiß wieder auf Kompensation bauen konnte. Nachdem es schwierig schien voran zu kommen verlor Oliver etwas die Geduld mit 16. Sce5, wodurch Weiß taktische Möglichkeiten und damit verbunden leichten Vorteil erhielt. Hier war noch alles offen, jedoch fühlte sich der leicht verklumpte Damenflügel zusammen mit der weißen Aktivität sicher unangenehm an. Wenig später begann die Partie zu kippen. Glücklicherweise übersah Olivers Gegner 20. e5! was vermutlich direkt gewonnen hätte. In den nachfolgenden Zügen gewann Weiß seinen Bauern zurück und hatte Vorteil erreicht. 23. Sd5 hätte erneut große Probleme verursacht, doch glücklicher Weise übersah Weiß die Chance und Oliver kämpfte sich zurück in eine etwas schlechtere Stellung. Nur unwesentlich später wurde der Druck jedoch zu viel und Oliver gab seinem Gegner erneut eine Einladung zu 26. Sd5, das wiederum übersehen wurde. Die Spieler waren sichtlich ausgelaugt von den vorherigen Runden, was 26….Td8 demonstrierte. Hier ergriff Olivers Gegenspieler allerdings seine Chance mit Td7, wonach die schwarze Damenstellung ein ernstes Problem wurde, da auf Lc6 einfach e5 folgen würde. Schwarz fand sich hier in einer passiven Stellung wieder mit deutlichem Nachteil. Nach einiger Überlegung kippte die Partie nach dem unglücklichen 27…. Lc6 gänzlich, die Alternativen waren aber auch alles andere als einladend. Nachdem 28. e5 ausgeblitzt wurde folgten taktische Verwicklungen, aus denen Olivers Rivale zwar nicht den genauesten Ausweg fand, aber dennoch mit klarem, Spiel entscheidendem Vorteil in Form einer ganzen Figur für einen Bauer hervorging. Die letzte Hoffnung war hier die Möglichkeit eines Dauerschachs, was Olivers Gegner jedoch umgehen und die Partie für sich entscheiden konnte..

Am zweiten Brett begann für Ivan die Partie mit dem Läuferspiel nach 1.e4, was sich erst über eine Art Wiener Variante bis hin zu originellen Gefilden entwickelte. Ausgehend von der letzten bekannten Stellung punktete hier Weiß aber anständig und die Fesselung des Sf6 kann schnell spielentscheidend sein, falls sich sein Rivale (1428) zu einem ungünstigen Zeitpunkt für die kurze Rochade entscheiden sollte. Daher überließ dieser freiwillig Ivan das Läuferpaar und nach heterogenen Rochaden besaß Ivan einen angenehmen positionellen Vorteil. Es lief jedoch leider alles anders. Nachdem Ivans schwarzfeldriger Läufer passiv abgedrängt wurde, öffnete sein Gegner das Zentrum. Ivan reagierte hier mit der langen Rochade schlecht, was durch Taktik einen Bauern verliert. Hier war die extrem schöne Pointe 14. dxe4 Le3! möglich, was die Läuferdeckung aufhebt und somit einen Materialrückgewinn durch eine Gabel mit Gewinnstellung ermöglicht. Leider reichten aber auch viele andere Fortsetzungen für einfachen Vorteil für Schwarz aus. Letztendlich entschied sich Ivan dazu in den sauren Apfel zu beißen und mit einem Bauer weniger aber den Figuren auf dem Brett mit 14. h4 weiter zu spielen. Bald darauf ging es leider weiter bergab. 17. Sg5 war ein Patzer, den sein Gegner direkt mit e3 bestrafte, wonach eine Figur verloren ging. Ivan versuchte bemüht den Gegner vor taktische Probleme zu stellen, aber die schwarze Stellung verfügte über zu viele Ressourcen, sodass die unternommenen Versuche ohne viele Zugeständnisse pariert wurden. In Verzweiflung versuchte er noch einen letzten Trick, den sein Kontrahent aber durchkreuzte und im Gegenzug die Dame gewann. Die anschließende Stellung war objektiv aussichtslos, sodass die erste Niederlage quittiert werden musste.

Romeo bekam während dessen an Brett 3 von seinem Gegenüber (1444) 1.e4 vorgesetzt, was er mit der Französischen Verteidigung beantwortete. Die Partie entwickelte sich entlang typischer Stellungsbilder des Tarraschsystems mit 3. Sd2. Romeo wählte ein solides System, in dem Schwarz einen isolierten Damenbauer hinnimmt, dafür aber gesunde Entwicklung erhält. Romeos Gegner spielte etwas übervorsichtig, was objektiv schnellen Ausgleich bedeuten sollte und von Romeo gekonnt für zügige Entwicklung ausgenutzt wurde, wonach Schwarz bereits besser stand. Im 12. Zug hätte …g5! Weiß bereits ganz konkret vor signifikante Probleme gestellt, gefolgt von Se4 mit bärenstarkem Angriff. Allerdings ist ein Zug wie g5 schwierig zu spielen, da man zeitgleich den eigenen König öffnet. Romeos Lf5 war hingegen auch in Ordnung, jedoch vergab er mit nachfolgendem Dd6 die letzte Möglichkeit die …g5 Ressource auszunutzen, stand aber dennoch angenehmer. Im 14. Zug übersah Romeo seine eigene Fesselung und hätte mit 14…Dxg3 einfach eine Figur gewinnen können, ließ die Chance aber verstreichen, was seinen Gegner vermutlich vor dem Nervenzusammenbruch bewahrte. Dieser hatte inzwischen seine Entwicklung abgeschlossen, wonach eine grob ausgeglichene Stellung entstand. Man merkte, dass es etwas an einem klaren Plan fehlte, als weitere Figuren getauscht wurden, wodurch langsam der Isolani zu einem langfristigen Problem werden könnte. Dennoch hatte er aktive Figuren vorzuweisen und nützlichen Druck gegen f2, womit Gleichgewicht bestehen sollte. In Folge kamen auch die Damen vom Brett und es sah so aus, als würde man auf ein grob ausgeglichenes Turmendspiel zusteuern, in welchem der Isolani nach wie vor die Zielscheibe des weißen Spiels sein sollte. Schlussendlich gab es hier jedoch wenig Bewegung und angesichts des Zwischenstandes bot Romeos Gegner Remis an, welches angesichts der Stellung und Zeit angenommen wurde, womit sich beide Spieler friedlich trennten.

Brett 4 mündete zeitgleich über eine etwas unübliche Zugfolge in das Vierspringerspiel über. Hier spielte Leon 4. Lc4, das aus Sicht der Theorie Schwarz nun mit dem Trick 4….Sxe4! Ausgleich verspricht und leicht auch in schwarzen Vorteil ausufern kann, sollte Weiß ungenau fortsetzen. Leons Gegner (1098) scheute davor jedoch zurück, sodass eine recht typische Partie des italienischen Vierspringerspiels entstand, in welcher Leons 9. b3 etwas ungewöhnlich für diese Stellung war, aber alles im grünen Bereich blieb. Kurze Zeit später erreichte Leon eine mehr oder minder ausgeglichene Stellung, in der weitere Figuren vom Brett verschwanden und sich ein kleines Plus für unseren Spieler einpendelte. Nachdem die eigenen Figuren aktive Felder fanden legte Leon taktisch los. 22. Sxh6! schnappte einen wichtigen Bauer, der bei korrekter Fortsetzung spielentscheidend sein sollte. Leon blieb genau und erlaubte kein Gegenspiel, während die Stellung weiter zu seinen Gunsten kippte.
Leon sichert Ostfildern einen vollen Brettpunkt
Leon sichert Ostfildern einen vollen Brettpunkt
Im 36. Zug, als die Stellung fast schon als klarer Gewinn zu verbuchen war, nahm Leon leider mit dem falschen Springer auf c3, was seinem Gegner eine Gabel erlaubte, um das Spiel wieder auszugleichen – welche dieser ausließ. Beide Spieler fanden nicht die genauesten Züge und die trickreichen Springer sorgten am Ende für eine grob ausgeglichene Stellung, in der jede Ungenauigkeit jedoch schnell zu ernsthaften Problemen führen konnte. Nach weiterem Bauernschwund auf beiden Seiten ergab sich nochmals Spannung. Während Leon am Königsflügel eine Bauernmehrheit erhielt, wartete Schwarz mit seiner eigenen Mehrheit am Damenflügel auf und begann zügig den a-Bauer das Brett hinunter zu jagen.
Plötzlich brachte ein Patzer des Gegners Leon eine unerwartete Chance. 53. f7+ leitet in eine forcierte Gewinnvariante für Weiß. 53. f7+ Kf8 54. g6 a2 55. Sd7+ Ke7 56. f8D+ Kxd7 wonach anschließend der schwarze a-Bauer rechtzeitig aufgehalten wird. Leons Gegner kämpfe weiter, doch die Partie war chancenlos. Leon ließ ihn nach dieser brillanten Rechenleistung und stark gespielten Partie nicht mehr entkommen und errang den ersten und umso wichtigeren Sieg für Ostfildern in Runde 6 und somit den Endstand von 1,5:2,5.

Mit dem Ende der aktuellen Runde belegen wir mit 6 Mannschaftspunkten und 11,5 Brettpunkten Tabellenplatz 10.
Motivation und Teamgeist
Motivation und Teamgeist
Nach drei langen Tagen am Brett, wenig Schlaf und kaum Verschnaufpausen hat unser Team mit Runde 6 vermutlich das härteste Spiel ihres Turniers hinter sich. Die Belastung für unsere vier Spieler ist hoch und wir sind umso stolzer auf ihren Kampfgeist und ihr Durchhaltevermögen. In Runde 6 lief vieles nicht wie erhofft, Chancen wurden auf beiden Seiten vergeben, bittere Niederlagen eingesteckt, aber auch schöne Partien mit vielen spannenden Ideen gespielt. Das Team hat sich nach diesem Kraftakt eine Ruhepause mehr als verdient.

Morgen wird es schließlich um 8.30 Uhr nochmals spannend.