Runde 11 - Absoluter Irrsinn in der Endrunde - 4. Niederlage im Sweschnikow mit 11. c4

von Christian Göppinger am Samstag 26.5.2018 12:38
1. e4 c5 2. Nf3 Nc6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 Nf6 5. Nc3 e5 6. Ndb5 d6 7. Bg5 a6 8.
Na3 b5 9. Nd5 Be7 10. Bxf6 Bxf6 11. c4 b4 12. Nc2 a5 13. Qf3 Bg5 14. h4 Be7 15.
g4 Be6 16. c5 Na7 17. Nce3 Rc8 18. cxd6 Bxd6 19. Nf5 Bxf5 20. gxf5 Rc2 21. Qg3
Kf8 22. Rg1 Rg8 23. f6 g6 24. Qg5 Qc8 25. Qh6+ Ke8 26. Rb1 Bc5 27. Rg2 Qh3 28.
Qxh7 Kd8 29. Qh6 Ke8 30. Rd1 Bd4 31. Rc1 Rxb2 32. Qh7 Rf8 33. Qg7 Qf3 34. Rc8+
Kd7 35. Rc7+ Ke6 36. Re7+ Kd6 37. Re6+ Kd7 38. Rd6+ Kxd6 39. Qxf8+ Kc6 40. Qe8+
Kb7 41. Qd7+ Kb8 42. Qd6+ Kb7 43. Ba6+ Ka8 44. Nc7+ Kb8 45. Nb5+ Ka8 46. Qd8+
Nc8 47. Qxc8# 1-0


Olivers Partie
Endstand U12

Die DJEM endete am 26.05. mit der letzten Spielrunde in der U12. Olivers Ergebnis ließ außergewöhnlich lange auf sich warten, sodass es sich vermutlich um eine lange, ausgekämpfte Partie handeln musste - die Oliver leider verlor.

Ein Blick und die komplizierte Partie zeigt viele deutliche Fehler beider Seiten, sodass die Bewertung mehrfach eine absolute 360gradwende hinlegte. Aber eines nach dem anderen.

Olivers Gegner hatten früh im Turnier das Kryptonit gefunden – in Form von 11. c4 im Sweschnikowsizilianer. Auch in der letzten Runde des Turniers hielt Oliver an seiner Vorbereitung fest, womit beide Spieler wieder die typische Stellung nach 12. .... a5 erreicht. Olivers Gegner wählte die drittbeliebteste Fortsetzung 13. Df3, die nach schwarzem 13. … Le7 keine besonders gute Ausbeute in der Praxis für Weiß zeigte. Allerdings wählte Oliver mit 13. … Lg5 eine Variante, in der Weiß sehr gute Resultate in der Meisterpraxis erzielte, dank dem energischen Vorstoß 14. h4!, der direkt die Läuferposition hinterfragt und damit argumentiert, dass der schwarze Läufer zwar aktiv aussieht, aber effektiv nichts angreift und nur in die Luft „starrt“, womit er zum Tempogewinn für einen Angriff und Raumgewinn genutzt werden kann. 15. g4 hingegen war sehr direkt und vermutlich ungenau, da Schwarz den h4 schlagen kann und Weiß vermutlich (zu) wenig konkret für den Bauer vorweisen kann. Oliver machte stattdessen einen gesunden Entwicklungszug und ließ sich nicht auf Komplikationen ein.

Sein Gegner bestand aber Säbelrasselnd darauf und griff mit 16. c5 erneut daneben, da zum einen das einfache menschliche Schlagen okay für Schwarz sein sollte, während die Engine mit 16. … Tb8 liebäugelt. Oliver spielte stattdessen ein etwas fragwürdiges Springermanöver mit 16. … Sa7, ähnliche Umgruppierungen im Sweschnikow brachten ihn in vorherigen Partien bereits in große Schwierigkeiten und nach dem nächsten positionellen Fehler 19. … Lxf5?, der den starken weißfeldrigen Läufer abgab, hatte Weiß einen starken Springer auf d5, allgemein die besseren Leichtfiguren und gute Aussichten auf der offenen g-Linie.

Sweschnikow ist eine sehr schwierige Variante für Schwarz und vermutlich mit ein Grund (nicht die Variante selbst, die gesund ist, aber die Komplexität der Stellungen, die sehr schwer zu verstehen und zu handhaben sind) für Olivers Probleme mit Schwarz. Nach den nächsten Zügen hat Weiß direkt starken Vorteil und Angriff, der schwarze König steckt merkwürdig auf f8 fest, während dadurch der Turm h8[b][/b] vorerst als Zuschauer limitiert bleibt und Weiß direkt mit 22. f6! auf Gewinn spielen kann, da 22. … gxf6 bärenstark mit 23. Tg1 beantwortet wird, wonach sich die Weiße Dame fröhlich ins schwarze Lager stürzt z.B. 22. f6 g7xf6 23. Tg1 Ke8 24. Dg7 Tf8 25. Sxf6+ Ke7 26. Td1 mit komplexer Gewinnstellung, die allerdings noch verwertet werden muss. 22. … g6 läuft direkt in 23. h5, was konkret die Drohung h5xg6 f7xg6 Dxg6! besitzt, da nach dem zurückschlagen der Dame der Turm verloren geht mit Schach und durch den f6 die schwarze Dame nicht mehr zu decken ist und ebenfalls verloren geht. 22. … Tg8 ist vermutlich der beste Versuch, wonach aber 23. Dg5! eine Abzugdrohung aufstellt, während nach 23. … Db8 24. Ld3 folgt, Tc5 und 25. Tg1! mit starkem Angriff.

In der Partie wurde jedoch nicht 22. f6! gewählt, sondern der ebenfalls starke, natürliche Zug 22. Tg1 und nach 22. … Tg8 und 23. f6 ist die oben kurz angesprochene Variante über Zugumstellung auf dem Brett. Der weiße Zug 24. Dg5 war etwas ungenau, zuerst den schwarzen Turm mittels 24. Ld3 zu befragen oder den eigenen Turm durch 24. Td1 zu aktivieren hätte Schwarz noch konkreter und Druck gesetzt. Oliver verteidigte sich in den Folgezügen sehr stark und genau, wonach Weiß zwar noch angenehmer steht, Schwarz aber ebenfalls die Chance auf ein Stück vom Kuchen hatte.

Mit 27. Dh3?? griff Oliver jedoch stark daneben, da Weiß die exponierte Stellung des vereinsamten Königs nun mit einer kräftigen Mattdrohung ausnutzen kann. 28. Td1! gewinnt für Weiß – die Konkrete Drohung ist hier Dc7#! Nach 28. … Dc7 (um das Matt zu verteidigen) hat Weiß ein wichtiges Tempo gewonnen und nach 29. Dxh7 Tf8 führen viele Wege nach Rom. Am direktesten ist vermutlich 30. h5 mit dem Plan Le2-h5 und Angriff auf den Bauern f7. Komplett in den Berserkermodus darf Weiß nach 29. Dxh7 Tf8 nicht verfallen. Das gefährlich aussehende 30. Txg6?? mit direkten Mattversuchen endet nämlich unerwartet im Matt – von Schwarz ausgeführt! 30. Lxf1# Uuuups!

Soweit kam es allerdings bei weitem nicht, da Olivers Gegner mit 28. Dxh7 ebenfalls fehl trat und die große Chance verstreichen ließ. Nun hätte Schwarz mit dem natürlichen 28. … Tf8 die Stellung ausgleichen können, da die weißen Figuren zwar gefährlich aussehen, aber alle Versuche des Anziehenden abgewehrt werden können.

Ich bin mir nicht sicher, welcher weiße Zug Oliver Sorgen bereitete, doch irgendetwas muss ihn sehr beunruhigt haben, sodass es keinen besseren Ausweg sah als nach 28. …Kd8?? den Turm zu geben, was sofort verliert und sogar konkret im Matt in 11 endet. Sein Gegner schlug den Turm jedoch nicht, sondern spielte 29. Dh6?? was wiederum für Schwarz gewinnt. Sehr merkwürdig und unlogisch – vielleicht liegt hier auch ein Übertragungsfehler der Partie vor und Oliver hatte in Wirklichkeit doch 28. … Tf8 gespielt. In der Textstellung hat Schwarz mit 29. b3! und nachfolgendem Df3! sehr starken Angriff, in dem in Kürze der schwarze Springer noch mit einsteigen wird.

Laut übertragener Partie spielte Schwarz jedoch hier 29. …Ke8?? was erneut komplett verliert nach 30. Td1! Dc8 31. h5, wie früher bereits erörtert. Zeitnot? Übertragungsfehler? Außerirdische? Wir wissen es nicht. 30. Td1 wurde schließlich auch von Weiß gefunden. Olivers Stellung kollabierte objektiv gesehen komplett, nach seinem 30. … Ld4? folgt 31. Txd4! e5xd4 32. Txg6! Df3 33. Txg8+ Kd7 34. Df4 und Weiß hätte Mehrmaterial, weiterhin Angriff und alles unter Kontrolle.

In der Partie folgte stattdessen 31. Tc1? das die Chancen wiederum vergibt und die Stellung ist grob ausgeglichen. Vermutlich waren beide Spieler in großer Zeitnot, denn dieser Partieverlauf hatte mehr mit Glücksspiel als mit Schach zu tun. Den Trend fortsetzend warf Schwarz mit dem nächsten Zug 31. … Txb2?? die Partie wieder weg, allerdings ist die Stellung nach wie vor hoch kompliziert und dieser Gewinn schwer zu sehen, zumal wir die äußeren Umstände nicht kennen.

32. Dg7! gewinnt für Weiß, da nach dem schlagen der Dame Weiß „einfach“ den Bauern umwandelt und gewinnt. Als Mensch die Komplikationen nach 33. … Lc3+ mit wenig Zeit zu lösen ist aber wieder eine andere Geschichte. Der präzise Gewinn besteht in 32. Dg7 Txg7 33. f6xg7 Lc3+ 34. Txc3 Tb1 35. Ke2 Tb2+ 36. Kd1 Tb1+ 37. Kc2 Dxc3 (es droht weißes Umwandeln, schlagen auf f7 und Matt mit Dame und Springer) 38. Sxc3 bxc3 39. g8=D+. Zudem muss noch folgende Variante genau berechnet werden 32. Dg7 Tf8 33. Tc7 Lc3+ 34. Sxc3 Dxc3+ (34. … bxc3 35. Te7+ Kd8 36. Dxf6#) 35. Txc3 Tb1+ 36. Ke2 bxc3 37. Txg6 Sc6 (37. … c2 38. Th6 c1=D 39. Dxf8+! Kxf8 (39. … Kd7 40. Dxf7 Kc6 41. Dd5+ Kb6 42. f7 Dxh6 43. Dd8+ Kb5 44. F8=D) 40. Th8#) 38. Th6 Sd4+ 39. Kd3 Se6 40. Dg1. Wow. Wäre ein Computer wäre Schach so einfach…

Zurück zur Partie nach 31. Txb2?. Weiß sorgte erneut für kompletten „Ausgleich“ mit 32. Dh7. Wer die Partie im Internet mit dem Enginebalken verfolgt hat, sollte spätestens jetzt seekrank sein. Olivers Zug 31. … Tf8 sollte den Ausgleich halten. Wer selbst analysieren möchte kann sich hier gern versuchen. In der Partie blieb alles in Ordnung…kurzzeitig. Oliver spielte 33. … Df3??, was direkt in ein weißes Matt in 3 läuft... Zeit für etwas Eigenarbeit! Hier ein kleiner Tipp:

Thema: Ablenkung, Beseitigung des Verteidigers. Wer das Matt lösen möchte sollte hier sofort aufhören zu lesen.





Lösung: 34. Lb5+! Sxb5 35. Dxf8+ Kxf8 36. Tc8#.

In der Partie – mal wieder – waren die Außerirdischen Invasoren gerade damit beschäftigt mit Laserstrahlen… vermutlich doch eher Zeitnot, aber sicher können wir uns nicht sein. Weiß gab wieder allen Vorteil mit 34. Tc8+ ab, da 34. … Kd7 und Olis stark gespielte Verteidigungszüge nicht ins Matt führen.

Nachdem Weiß allerdings überambitioniert mit 36. Te7+?? wurde wäre erneut (mathematisch in 7 Zügen) Matt für Schwarz möglich gewesen! 36. ... Kd6 37. Te6+ Kxe6 38. Sf4+ exf4 39. Lc4+ Kd7 40. Lb5+ Sxb5 41. Dxb7+ Txf7 42. a3 De2# (gut gemacht Computer auf Rechentiefe 23…, wir sind stolz auf deine intelligente Verteidigung...).

Wie dem auch sei. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund nahm Oliver nach 37. Te6+ nicht den Turm, sondern spielte 37. … Kd7??. Jetzt geht wieder Matt – dieses Mal aber andersherum. Im bin beim schreiben dieser Zeilen inzwischen nahe an der seelischen Verkümmerung und kauere in Embryonalstellung vor dem Bildschirm und betrachte wie die Bewertung fröhlich hin und her hüpft. Außenstehende denken sicher ich schaue gerade ein Tennismatch…

Zurück zur Stellung. Weiß am Zug gibt Matt in 6 Zügen! Und oh Wunder – die außerirdischen Mächte scheinen zu diesem Zeitpunkt den Plan die Erde zu vernichten aufgegeben zu haben, denn Weiß fand das Matt – leider, was für Oliver das Partie- und Turnierende bedeutete. 38. Td6+ Kxd6 39. Dxf8+ Kc6 40. De8+ (40. Da8+ Kd7 41. Db7+ Kd6 42. Dc7+ Ke6 43. De7# war schneller, aber die Partiefortsetzung erfüllte ebenfalls den Zweck).

Ein weiterer sehr harter Verlust für Oliver im Sweschnikow mit 11. c4 in einer absolut wahnwitzigen Partie in der alles und nichts zugleich möglich war und deren äußere Umstände noch mehr interessieren, als die Züge selbst.

Verständlich enttäuschend für Oli, der bei der diesjährigen DJEM zwar einige schöne Erfolgsmomente feiern konnte, aber zugleich sehr viel Frust und Verluste wegstecken musste.

Platz 53 mit 4/11 (Setzliste 45.) wird ihn sicher enttäuschen aber aus Niederlagen lernt man bekanntlich am meisten. Und Sweschnikow wird vermutlich einen „speziellen“ Platz in seinem Herzen einnehmen…

Wir freuen uns ihn hoffentlich zeitnah wieder in heimischen Gefilden anzutreffen und wünschen ihm hoffentlich erholsame restliche Ferien und das Beste für die schachliche Entwicklung. Das Turnier gab gewaltige Möglichkeiten für ihn als Spieler zu wachsen und wir sind uns sicher, dass er mit einer Menge Erfahrung und wir mit einer Menge Einblicke positiv in die Zukunft schauen können.