Runde 7 - die erste Punkteteilung

von Christian Göppinger am Mittwoch 23.5.2018 19:35
Nach der Erleichterung anlässlich des vollen Punktes in Runde 6 ging es für Oliver in Runde 7 nochmal ans Brett - dieses mal jedoch mit den schwarzen Steinen, mit denen er bislang im Turnier die größten Ernüchterungen wegstecken musste. Sein Gegner schien ein Anhänger geschlossener Eröffnungen zu sein und startete seine bisherigen Weißpartien mit 1. d4 oder 1. Sf3, im Gegensatz zum Großteil seiner Kontrahenten.


1. d4 Nf6 2. c4 c5 3. d5 b5 4. b3 b4 5. Nd2 g6 6. Bb2 Bg7 7. e4 d6 8. f4 O-O 9.
Rb1 Nbd7 10. Bd3 Nb6 11. Ngf3 a5 12. a4 bxa3 13. Bxa3 Rb8 14. O-O Na8 15. Qe2
Nc7 16. h3 Na6 17. Kh2 Nb4 18. Bxb4 Rxb4 19. f5 Bd7 20. Bc2 Qc7 21. Rbe1 a4 22.
e5 dxe5 23. Nxe5 axb3 24. Bxb3 Ba4 25. Bxa4 Rxa4 26. Kg1 Nh5 27. Nc6 Ng3 28.
Qxe7 Bd4+ 29. Nxd4 Qxe7 30. Rxe7 Nxf1 31. Kxf1 cxd4 32. f6 Rd8 33. Re4 d3 34.
g4 Kf8 35. Rd4 Ke8 36. Rxd3 Kd7 37. Kf2 Kd6 38. Kf3 Ke5 39. g5 Kf5 40. h4 Rb4
1/2-1/2


Wie vermutet startete Weiß die Partie mit 1.d4, was etwas Abwechslung von der Sizilianischflut brachte. Oliver bot mit 3. … b5 einen Bauern für langanhaltende positionelle Kompensation an – das Wolga-Benkö-Gambit, das sein Gegner allerdings mit 4. b3 ablehnte, was als selten und recht harmlos gilt. Nachdem sich der Damenflügel etwas geschlossen hatte, suchte Weiß sehr aktiv mit 7. e4 und 8. f4 Spiel im Zentrum, was mit schlecht entwickeltem Königsflügel und dem unrochierten König etwas riskant war, da Oliver mittels schnellem 9. … e6 die Stellung hätte öffnen können, wonach die schwarzen Figuren schnell an Aktivität gewinnen und Weiß vermutlich um Ausgleich bemüht sein muss. Anstelle schneller Aktionen im Zentrum entschied sich Oliver für Spiel am Damenflügel, das nach dem ungenauen 12. a4 gute Aussichten einbrachte. Oliver hatte den Bauern b3 und das schwache Feld b4 ins Auge gefasst und plante mit dem etwas merkwürdig aussenden Zug 14. Sa8 vermutlich die Umgruppierung des Springers über c7, a6 und schließlich nach b4. An sich ein guter Plan, doch leider recht langsam - was Weiß, der inzwischen seine Entwicklung abgeschlossen hatte, die Möglichkeit für einen typischen Zentrumsdurchbruch in Benonistellungen erlaubt hätte mittels 15. e5!. Weiß sah vermutlich die Idee, wollte jedoch mit 15. De2 noch Vorbereitungen treffen, was ebenfalls stark ist, aber angesichts von schwarzen Ideen mit Sh5 ein wenig ungenauer als sofortiges e5 war. Oliver verfolgte weiterhin seinen Umgruppierungsplan, während Weiß sich noch nicht zu Zentrumsaktivität überwinden konnte und mit 16. h3 mehr Felder unter Kontrolle bringen wollte. Doch wie Fischer sagte, wer Felder gewinnen möchte muss Felder aufgeben – konkret wurden durch 16. h3 in diesem Fall die schwarzen Felder am Königsflügel geschwächt, die Schwarz nun mit 16. … Sh5 und späterem Lh6 gut nutzen hätte können, was vermutlich die Qualität oder den schwachen Bauern f4 gewonnen hätte, mit klarem Vorteil. Oliver hielt jedoch an seinem bereits geschmiedetem Plan fest und nachdem auch Weiß keine konkreten Operationen unternahm, landete Olivers Springer schließlich auf seinem Zielfeld. Oliver entwickelte kurz darauf starken Druck am Damenflügel, worauf Weiß – nun allerdings zu spät – im Zentrum loslegte. Sein 22. e5? War ein klarer Fehler, da in der resultierenden Stellung der weiße Springer in einer unangenehmen Fesselung steckt was durch geschickte taktische Operationen zum spielentscheidenden Materialgewinn für Schwarz geführt hätte. Oliver spielte richtig, verpasste aber die konkrete Bestrafung der weißen Idee mittels 24. … Lxf5, wonach zum einen der exponierte weiße Lb3 geschützt werden muss und zum anderen dadurch die Deckung des Se5 kaum möglich ist im Falle eines weiteren Angreifers von schwarzer Seite. Auf die Entfesselung 25. Kg1 folgt die starke Idee 25. … Se4! Was zum einen den Se5 hängen lässt und zeitgleich den Verteidiger des Lb3 ablenkt. Eine Beispielvariante könnte wie folgt aussehen: 25. Kg1 Se4 26. Sxe4 Dxe5 27. Ld1 e6 28. d5xe6 Dd4+ 29. Kh1 Lxe6 wonach Schwarz das Läuferpaar in offener Stellung, einen Mehrbauer, die aktiveren Figuren, den besser geschützten König und weiter starken Druck gegen den schwachen Bauern auf c4 erhält. Sehr schwer im Vorhinein soweit das alles zu sehen und richtig einzuschätzen. In der Partie konnte Weiß seinen anfälligen Lb3 abtauschen, wonach er seinen gefesselten Se5 und die Stellung allgemein sichern kann. Weiß opferte mit 27. Sc6 die Qualität für Bauern und starke Kompensation – ein Opfer, auf das sich Oliver einließ und das für Weiß klar günstig ist. Nach den erzwungenen Abwicklungen hatte Weiß für die geopferte Qualität zwei gut gesicherte, verbundene Freibauern, einen aktiven Turm und der schwarze König wurde anfällig und inaktiv eingemauert, während der schwarze Bauer d3 bald ins Visier genommen wird. Doch zu Olivers Glück fehlte Weiß erneut das Selbstvertrauen seine Bauern sofort laufen zu lassen. Nach dem Fehler 33. Te4 hat Schwarz nämlich die Gelegenheit mittels 33. … Ta6 den lästigen f6 zu beseitigen oder zumindest den weißen Turm durch den Druck auf den Bauern zu deaktivieren, wonach der eigene Td8 zusammen mit dem d4 im weißen Lager aktiv werden kann und konkrete Drohungen auf e2 entfalten möchte. Beide Spieler fanden nachfolgend nicht die besten Züge und die Stellungsbewertung sprang entsprechend Zug für Zug erneut um, bis sich nach 38. Kf3 wieder ein grobes Gleichgewicht mit viel verbleibendem Spiel ergab. Oliver ließ jedoch erneut die Festlegung seines Königsflügels zu und wagte sich mit dem eigenen König gefährlich weit vor. In der Endstellung besitzt Weiß klaren Vorteil und kann den eigenen König ins Zentrum überführen, da nach 41. Ke3 schwarze Blockversuche mittels Ke5 einfach mit dem Springerschach auf f3 und nachfolgendem Kd4 beantwortet werden, wonach die weißen verbundenen Freibauern mit mächtig Unterstützung und absolut gewinnbringendem Vorteil der Umwandlung entgegenlaufen. Weiß müsste nach wie vor genau spielen, doch objektiv ist die Stellung klar besser für den Anziehenden und Oliver kann sich freuen mit Glück und einem Remis hier davon gekommen zu sein. Neben den Eröffnungsproblemen scheinen vor allem Endspiele bzw. Turmendspiele ihm im Moment das Leben schwer zu machen.

Olivers Partie
Paarungen Runde 7